Sonntag, 23. September 2018
Ich bin der Größte (1973)
Gerade habe ich auf Arte Ich bin der Größte gesehen. Der Film aus dem Jahr 1973 zeigt heute unfreiwillig, warum sich der Feminismus entwickelt hat.

Der Film beginnt als Parodie auf James Bond: Der Agent nimmt es in Mexiko mit einer Überzahl von Schergen des Obersts Karpov auf. Er tötet sie alle und kämmt sich während des Kampfes noch die Haare.

Die Erzählung stellt sich dann als Fantasie eines frustrierten Schundschriftstellers heraus, der sie gerade in seine Schreibmaschine tippt. Der Film wechselt zwischen diesen Ansichten und alle Figuren erscheinen doppelt: Der Schriftsteller ist der Agent, der Erzbösewicht sein Verleger und ein Scherge ist der Klempner, der dem Schriftsteller nicht helfen wollte. Der wird sofort erschossen.

Irgendwann tritt die Nachbarin des Schriftstellers auf, eine attraktive junge Frau. Sie wollte eigentlich nur den Klempner um etwas bitten, nimmt dann aber erst ein und später alle Bücher des Schriftstellers aus dessen Wohnung mit. Sie verschlingt sie und macht sich Notizen. Es zeigt sich, dass sie diese nicht etwa gut finde. Sie ist Soziologin ist und an Schund als gesellschaftlichem Phänomen interessiert. Sie möchte ihre Doktorarbeit über den Agenten schreiben.

Der Schriftsteller hatte jedoch, nachdem sie sich so für die Romane interessiert hat, auf ein Abenteuer gehofft. Als sie von ihren wissenschaftlichen Ideen erzählt, hört er nicht zu, sondern unterbricht sie immer wieder, zunächst um ihr einen Drink anzubieten (er hat aber nichts da), dann, um ihr zu zeigen, dass sie in seinem Buch in einer erotischen Szene vorkommt. Sie wirkt etwas verdattert. Als er sich nach dem Vorlesen auf sie stürzen will, erschrickt sie und flieht. Er entschuldigt sich, weil er dachte in Mexiko zu sein (wo das Buch spielt).

Eine weitere Szene findet an der Uni statt. Dort wird die Frau für ihre wissenschaftlichen Ambitionen ausgelacht und ihr unterstellt, dass sie auf den Schriftsteller als Mann aus sei.

Ferner geht sie zum Verleger des Schriftstellers, wo sie Statistiken und andere Zahlen für ihre Doktorarbeit erfahren will. Die Empfangsdame lackiert sich die Nägel und nimmt das Anliegen nicht ernst. Der Verleger mustert lange ihren Hintern und bittet sie dann herein. Er ist ebenfalls nur auf ein erotisches Abenteuer aus und fragt, was sie denn an dem Schriftsteller finde (es ist klar, dass er ebenfalls meint, sie sei an dem Mann interessiert und nicht an seinen Ideen).

Die Frau sieht sich, anstatt intellektuell ernst genommen zu werden, mehr oder minder übergriffigen sexuellen Angeboten ausgesetzt. Im Gespräch mit dem Schriftsteller versucht sich dieser, ihr zu nähern, indem er anbietet, dass die Romanfigur nicht mehr den Sexprotz spielt, sondern verständnisvoll und zärtlich wird. Auf die Idee, auf ihr intellektuelles Anliegen einzugehen, kommt er nicht.

Ich habe den Film zu diesem Zeitpunkt – auch wegen des Titels und der übersteigerten Männlichkeitsvisionen – als frühen und clever angelegten Kommentar zur Beziehung zwischen Mann und Frau gesehen, wenn der Mann die Frau nur als Sexobjekt betrachtet: Der Mann ist gefangen in seinen lächerlichen Fantasien und nimmt die Frau in ihren Bedürfnissen nicht ernst und neigt sogar zu Gewalt und Übergriffigkeit. Ich war zu diesem Zeitpunkt gespannt, wie der Film diesen Konflikt fortspinnt.

Die Antwort: Leider gar nicht. Die Frau verliebt sich dann nach einem weiteren Vergewaltigungsversuch im Park doch noch in den Schriftsteller und macht ihm von da an Kaffee. Nun heißt es nur noch, den Verleger loswerden, der sehr aufdringlich ist. Es war wirklich sehr enttäuschend.

Ich habe nachgesehen: Der Regisseur und alle drei Drehbuchautoren sind Männer. Offenbar war ihnen die Sache Anfang der Siebziger doch noch zu kompliziert. Heute haben wir den Feminismus.

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