Montag, 17. September 2018
was kann man in saarbrücken machen?
ich war beruflich zwei wochen in saarbrücken. am zweiten tag aß ich mit einem österreicher zu abend. der österreicher sagte, als er zum studieren hergekommen sei, habe ihm keiner gesagt, was das hier für ein hundskaff sei. nix sei los und er wollen so schnell wie möglich zurück nach hause. nur ein ort hier sei wirklich besonders: die völklinger hütte.

wer, wie ich vormals, nicht weiß, was die völklinger hütte ist, hat möglicherweise - ebenso wie ich - einen sehr falschen eindruck von dem, was ihn erwartet. die völklinger hütte ist keine hütte im sinne einer kleinen unterkunft, wie man sie vom wandern kennt. es handelt sich um ein 7,46 hektar großes ehemaliges eisenwerksgelände, das zum unesco welterbe erklärt wurde.

das eisenwerk wurde 1986 geschlossen. ich habe in saarbrücken in der ersten woche in einem airbnb auf der schlossstraße gewohnt. es handelte sich um eine wohnung, die die vermieter vermutlich geerbt haben. sie war sehr altmodisch eingerichtet und enthielt bücher aus dem reader digest club, deren kauf einmal modern gewesen war. alles war in sich stimmig. trotzdem merkte man, dass die person, die dort einmal gelebt und gewirkt haben muss, nicht mehr da war. manches fiel ab, funktionierte nicht mehr richtig oder passte nicht zu einem mietzimmer (etwa die für einen reisenden viel zu große schrankwand). die wohnung hatte ihre seele verloren.

ebenso hat natürlich die völklinger hütte ihre seele verloren, als sie 1986 geschlossen wurde. die maschinen und verschiedenen räume sind sinnlose dekoration geworden, weil sie niemand mehr benutzt. alles verrostet und die vielen erinnerungstafeln mit den texten, die emotional klingen sollen, kommen mir vor wie grabsteine.

dennoch erfasste mich eine faszination und ein entsetzen, wenn ich mir vorstellte, wie leute hier 24 stunden im schichtbetrieb unter menschenunwürdigen bedingungen geschuftet haben. zentraler punkt war ein hochofen, größer als der koloss von rhodos, der fraß und fraß - gefüttert von zu hochzeiten über 17.000 menschen. nach schichtende standen laut einer gedenktafel in allen kneipen reihenweise biergläser bereit. hier hatte der irrsinn des kapitalismus seinen höhepunkt erreicht und eine wirkliche hölle mit feuer und schwefel geschaffen.

heute ist nur doch der balsamierte leichnam übrig. ein paar arbeiter führen rentnergruppen herum und erzählen selbstsicher, dass sie damals als einzige die und die maschine bedienen konnten und daher sogar bei den olympischen spielen helfen durften oder mit wieviel gefühl sie das eisen buken. oder sie reden abfällig darüber, was heute alles aus umweltschutzgründen verboten ist. sie haben diesen seltsamen arbeiterstolz, der mir sehr fremd ist. für mich ist ihr ehemaliger lebensmittelpunkt abstoßend und ich muss mich zwingen, respekt und verständnis zu empfinden.

gleichwohl ist die merkwürdige industriearchitektur sehr faszinierend und die kunst und die natur, die sich von dem schreck nach und nach erholt ist wunderschön. der ort ist lebendig, da er zu diesen zwecken nicht zur konserviert, sondern auch gebraucht wird: künstler schaffen dort werke und seltene tiere finden ein zuhause. ich bin inspiriert und letztlich positiv wieder nach saarbrücken gefahren.

morgen treffe ich den österreicher, der mir die empfehlung gegeben hat. ich werde ihm sagen, dass er nicht untertrieben hat.

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